Donnerstag, 26. Dezember 2013

Ein Leben in China (Bd. 1,2 und 3)

Ein Graphic Novel von Philippe Otié und Li Kunwu 






















Klappentext:

Band 1: Die Zeit meines Vaters
Die Zeit meines Vaters schildert das Leben des jungen Xiao Li von seiner Kindheit in den Fünfzigerjahren bis zum Tod Maos am 9. September 1976. Der Zeichner Li Kunwu bleibt dabei sehr nahe an seiner eigenen Biografie und beschreibt anschaulich und leidenschaftlich die Auswirkungen staatlicher Kampagnen wie «Großer Sprung nach vorn» und «Kulturrevolution» auf den Alltag einer normalen chinesischen Familie.

Band 2: Die zeit der Partei
Kaum ist Mao 1976 gestorben, beginnt der Kampf um die Macht innerhalb der politischen Elite Chinas, den Deng Xiaoping für sich entscheidet. Ein neues China entsteht, das seiner Bevölkerung große Flexibilität abverlangt: Was während der Kulturrevolution verpönt war wie westliche Vergnügungen, Grundbesitz oder Luxus, wird zum neuen Lebensstil in einem Land, das gerade die «sozialistische Marktwirtschaft» entdeckt Xiao Li, der «Kleine Li», durchlebt diese Zeit erst als Soldat und Kuhhirte, dann als Propagandazeichner in der Armee. Schließlich schafft er es nach mehreren Anläufen, in die Kommunistische Partei Chinas aufgenommen zu werden.

Band 3: Die Zeit des Geldes
Der dritte Band dieser Trilogie erzählt vom Aufbruch Chinas in den Kapitalismus. Die Zeit nach 1980 bringt ungeahnte Veränderungen mit sich, China erfindet die «soziale Marktwirtschaft» und holt den Vorsprung des Westens mit Riesenschritten auf. Xiao Li, der «Kleine Li», ist unterdessen zu Lao Li, dem «Alten Li» gereift, er hat eine gute Stelle als Illustrator bei einer großen Zeitung gefunden, eine Wohnung in Kunming bekommen und eine Familie gegründet. Einige seiner Freunde und Bekannten stürzen sich ins Abenteuer Kapitalismus, eröffnen Billardsalons, Restaurants oder sogar ein Mineralwasserunternehmen, für das Lao Li bald als Werbezeichner tätig wird.



Kommentar:
China hat sich in den vergangenen sechzig Jahren vom rückständigen Feudalstaat zur Weltmacht entwickelt. Der 1955 geborene chinesische Zeichner Li Kunwu hat diese Entwicklung miterlebt. In Ein Leben in China beschreibt er die Auswirkungen dieser oft wechselhaften Politik auf das Leben seiner Familie. Sein Versuch, die Irrungen und Wirren der vergangenen 60 Jahre mit dem französischen Comicautor Philippe Otié halbwegs chronologisch zu skizzieren, muss dabei notgedrungen fragmentarisch bleiben. Dadurch, dass er die politische Entwicklung aus individueller, persönlicher Sicht schildert, wird ihre Wirkung auf die Menschen nachvollziehbarer. Interessant ist, dass die Trilogie die Unterschiede zwischen östlichem und westlichem Denken deutlich macht. Die drei Bände sind keine umfassende, aber umfangreiche, gut gezeichnete, informative und streckenweise auch selbstironische Trilogie, in der man viel über die chinesische Kultur und Denkweise erfährt.



Die Ignoranten: wenn Wein und Comic sich begegnen

Ein Graphic Novel von Étienne Davodeau













Klappentext:
Der Comic-Zeichner Étienne schlägt seinem Freund Richard einen außergewöhnlichen Deal vor: Der Winzer soll ihn in die Welt des Weins einführen, im Gegenzug bringt er ihm die Welt des Comics nahe. Richard beginnt, Comics zu lesen, lernt Zeichner kennen, begleitet Étienne auf Comic-Festivals und erhält umfassende Einblicke in das Comic-Schaffen. Étienne lernt, woran man gute Weine erkennt, wie Reben richtig beschnitten werden, wie man Fässer für die Lagerung auswählt und welches die besten Anbaumethoden sind. Doch viel bedeutsamer als das Insiderwissen, das sich die beiden vermitteln, ist die Erkenntnis, dass ihre Professionen mehr gemeinsam haben, als sie ahnten. 

Étienne Davodeau wurde 1965 in der französischen Region Mauges geboren. Nach einem Studium der Bildenden Künste in Rennes gründete er mit Gleichgesinnten ein Comic-Studio. 1992 erschien seine erste Albumreihe "L'homme qui n'aimait pas les arbres". Seitdem hat er zahlreiche Bücher und Comic-Dokumentationen veröffentlicht und für seine Beobachtungen des französischen, ländlichen Lebens viele Preise erhalten. So etwa den Preis für das beste Szenario in Angoulême (für "Les mauvais gens", 2005) und den Gourmand Award für das beste Weinbuch 2012 aus Frankreich für "Die Ignoranten".


Kommentar:
Dieser Graphic Novel animiert zum Wein trinken. Und animiert zudem sich vertieft mit dem Weinanbau auseinander zu setzen. Man erfährt vieles über die Jahreszeiten des Winzers und die damit verbundenen Tätigkeiten. Eine Rolle spielen auch die Produktionsmethoden in der französischen Comic-Industrie. Davodeau besucht gemeinsam mit Leroy seine Druckerei in Belgien, um zu überprüfen, wie seine Farben auf dem ausgewählten Papier zur Geltung kommen sowie seinen Verlag Futuropolis in Paris. Hier bekommt der Leser einen Eindruck der Sorgfalt mit der in Frankreich nicht nur Weine produziert sondern auch Comic-Projekte angeschoben und begleitet werden, was Früchte trägt in originellen Werken wie «Die Ignoranten».En passant besuchen die beiden französischen Protagonisten ein paar Comic-Granden und da wird selbstverständlich das Glas gehoben (und geleert). Die Zeichnungen sind komplett in Schwarz-Weiss gehalten, unaufdringlich und vermitteln auf eine angenehme Weise die gesammelten Eindrücke von Etienne Davodeau. Seine Texte haben einen feinen Humor, sind informativ und lassen den Leser an den Dialogen teilhaben. Ein dickes Comic-Buch, das schnell gelesen werden kann oder etwas langsamer mit einem Glas Wein in Reichweite.




Blau ist eine warme Farbe

Ein Graphic Novel von Julie Marod














Klappentext:
Das Leben von Clementine kippt an dem Tag, als sie Emma trifft, eine junge Frau mit blauen Haaren, die sie alle Facetten der Lust entdecken lässt und ihr ermöglicht, sich dem Blick der anderen zu stellen. Eine einfühlsame Erzählung voller Zärtlichkeit.Die ebenso sanfte wie tragische und mit autobiografischen Elementen versehene Coming-Out Geschichte über die zwei jugendlichen Frauen Clementine und Emma, die miteinander eine Liebesbeziehung eingehen und deswegen den homophoben Attacken ihrer Umwelt ausgesetzt sind, erhielt auf den Filmfestspielen von Cannes 2013 als Verfilmung "Blue is the Warmest Colour" mit der Goldenen Palme die wohl wichtigste cinephile Auszeichnung der Filmbranche und wurde somit in der Geschichte des Festivals als erster Film, der auf einer Comicvorlage basiert, ausgezeichnet. Die in Angoulême lebende Schöpferin der Vorlage, Julie Maroh, wiederum erhielt für ihr Graphic Novel-Debüt bereits im Jahr 2011 den Prix du Public auf dem berühmten Festival der Stadt.

2011 erhielt der Comic auf dem Festival in Angoulême, wo Julie Maroh heute lebt, den Publikumspreis. Die Krönung hätte die Verfilmung vom franco-tunesischen Regisseur Abdellatif Kechiche sein können, die 2013 auf den Filmfestspielen von Cannes sogar die Goldene Palme erhielt.


Kommentar:
Zuerst war der Graphic Novel und dann wurde der Film produziert. Das ist, so weit ich das überblicken kann, eher eine Seltenheit. «Blau ist eine warme Farbe» ist ebenso interessant erzählt wie gestaltet. In einer farbig kolorierten Rahmenhandlung liest Emma das Tagebuch ihrer verstorbenen Freundin Clementine. Deren Aufzeichnungen setzt Julie Maroh in schwarzweisse Bilder um, wobei sie lediglich blau als Schmuckfarbe einsetzt, zunächst für den Pullover von Thomas und dann nur noch für die Haare von Emma. Es handelt sich nicht so sehr um eine Coming Out-Story, sondern um ein Liebesdrama. Es ist so gesehen eher zufällig, das die beiden Hauptfiguren einfach Mädchen sind. Eigentlich spielt sich die Geschichte in einem eher konventionellen Rahmen ab und es treten die zum Teil fast klischeehaft wirkenden Vorurteile auf.

Bei meiner Internetrecherche habe ich gelesen, dass die Autorin Julie Maroh sich über die Filmadaption ihrer Graphic Novel geärgert hat. Die Inszenierung der Liebesszenen durch Regisseur Abdellatif Kechiche habe recht wenig mit der Realität zu tun, sondern damit, wie heterosexuelle Männer sich Lesbensex eben vorstellen würden. Beim überlangen dreistündigen Film empfand Sie als auch respektlos, wie mit der gut und mitreissend erzählten Comicvorlage umgegangen wurde.