Dienstag, 27. Mai 2014

Blast (Band 3: Augen zu und durch)

Ein Graphic Novel von Manu Larcenet



















Klappentext:
Wahnsinniger Psychopath oder gerissener Killer? Polza Mancini steht unter Mordverdacht und zieht die Ermittler immer tiefer in seine Welt. Scheinbar ungerührt berichtet er über Suizid, Missbrauch und körperliche Gewalt. Nur der Name Carole Oudinot scheint die Selbstbeherrschung des unförmigen Riesen einen Moment lang ins Wanken zu bringen. Das psychologische “Katz-und-Maus-Spiel” mit der Polizei steuert auf seinen Höhepunkt zu.
Autoreninfos:
Manu Larcenet, geboren 1969, zählt zu den führenden Autoren des frankobelgischen Gegenwartscomics, der sich traumwandlerisch sicher zwischen den Gattungen und Stilen bewegt. Sein vielfältiges Schaffen reicht vom Kindercomic über Sozialstudie bis hin zur sensiblen autobiografischen Geschichte. 2012 wurde "Blast" 1 in Angoulême prämiert.

Kommentar:
Der Zeichner und Autor Manu Larcenet hat mich schon lange als Fan für sich gewonnen. Mit «Blast» begibt er sich in eine düstere Schwarzweisswelt, die nur in seltenen Momenten mit Farbe angereichert wird, wenn der Blast über Polza Mancini hereinbricht. Diese farbenfrohen Muster und Piktogramme wurden anscheinend von Kindern gezeichnet und passen sehr gut zu der psychologisierten Erzählung.
Larcenet erzählt und zeichnet mit grosser emotionaler Wucht, und so sehen die Zeichnungen auch aus. Viel Schwung, viel Dynamik, manchmal nur als Skizze oder Schatten in der Nacht, dann wieder mit vielen Details. Auch im Band 3 ist der Hauptcharakter Polza Mancini ziemlich unappetitlich geblieben und muss sich - wie schon in den vorherigen Bänden - in einem Polizeiverhör verantworten. Was ihm genau zur Last gelegt wird, wird im vorliegenden Band etwas klarer; nämlich ein Mord oder zwei sogar! Das Verhör stellt weiterhin die Rahmenhandlung von Blast dar, denn in ihm erzählt Polza aus seinem Leben.
Es ist ein anderer Larcenet, als der, den man bis anhin aus «Die Rückkehr aufs Land» und «Der alltägliche Kampf» kannte. Man hat den Eindruck, als hätte sich nicht nur seine Hauptfigur von allen sozialen, sondern er selbst sich auch von allen grafischen Zwängen befreit.
Beim Verlag Dargaud in Frankreich wurde bereits der vierte und letzte Band von Blast herausgegeben. Warten wir also mit Spannung auf die Übersetzung!







Samstag, 24. Mai 2014

Zweite Generation – Was ich meinem Vater nie gesagt habe

Ein Graphic Novel von Michel Kichka (Text und Zeichnungen)




















Klappentext:
Michel Kichka gewährt in Zweite Generation einen persönlichen Einblick in die Beziehung zu seinem Vater Henri. Dieser, 1926 geboren und 1942 nach Ausschwitz deportiert, musste miterleben, wie seine gesamte Familie von den Nationalsozialisten ermordet wurde. Die Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs sind im Familienleben der Kichkas präsent und beeinflussen das Alltagsleben und die Erziehung der Kinder, zum Beispiel am Esstisch, in der Schule und auf Familienfeiern. Für Michel Kichka ist es eine lebenslange Aufgabe geworden, sich mit der Biographie seines Vaters und mit dem Trauma seiner Eltern, das durch die Shoah verursacht wurde, auseinanderzusetzen.

Autoreninfos:
Michel Kichka gehört zu den wichtigsten Comic-Künstlern Israels. Er wurde 1954 in Belgien geboren und emigrierte 1974. Kichka unterrichtet an der Bezalel Academy of Arts and Design in Jerusalem (der staatlichen Kunsthochschule) und beeinflusste zahlreiche israelische Künstler. Er arbeitet regelmäßig als Karikaturist für internationale Zeitungen, z. B. für Courrier International und Herald Tribune. Außerdem engagiert er sich in der Organisation Cartooning for Peace.

Kommentar:

Es gibt bereits einige Comics über den Holocaust. Ihr berühmtester Vertreter ist «Maus» von Art Spiegelmann. Michael Kichka geht die Sache offensiv an. Er lässt Spiegelmans mit dem Pulitzerpreis prämierten Comic gleich zweimal innerhalb seiner autobiographischen Geschichte auftauchen. Zudem setzt Kichka andere Akzente als Spiegelman. «Zweite Generation» ist kein Comic über den Holocaust. Er erzählt wie das Thema Holocaust Kichkas Kindheit und jene seiner drei Geschwister überschattet hat. Sein schwarzweisser Zeichenstil - irgendwo zwischen Robert Crumb und André Franquin - passt durchaus zum sperrigen Thema, das er mit grosser Offenheit und menschlich sehr rührend erzählt.




Auf den Spuren Rogers

Ein Comic von Florent Silloray (Text und Zeichnungen)




















Klappentext:
Herbst 1939. In dem kleinen französischen Dorf Douet herrscht Aufregung: Das Militär mobilisiert seine Truppen im Kampf gegen Deutschland. Auch Roger lässt Hof und Familie zurück, um an die Front zu ziehen. Ein Notizheft, das er von seiner Verlobten Suzanne zum Abschied bekommen hat, wird zu seinem ständigen Begleiter. Weit weg von zu Hause schildert er darin seine persönliche Sicht auf den Krieg, erzählt von seinen Erlebnissen als Soldat und als Kriegsgefangener in deutschen Arbeitslagern. Insgesamt mehr als fünf Jahre verbringt Roger in Gefangenschaft – Mühlberg, Domsdorf, Torgau und Leipzig werden zu qualvollen Stationen seiner Reise, die erst endet, als die amerikanischen GIs ihn und seine Kameraden befreien. Im Winter 2002, knapp 63 Jahre später, stößt Florent Silloray auf dieses Notizheft - es sind die Aufzeichnungen seines Großvaters, der soeben gestorben ist. Florent reist nach Deutschland, um Rogers Spuren zu folgen...

Autoreninfos:
Nach seinem Kunststudium in Nantes verbrachte Florent Silloray Ende der Neunziger einige Jahre bei den Ureinwohnern der neukaledonischen Insel Lifou. Aus seinen Erlebnissen entstand der gleichnamige Band ("Lifou"), der 2004 bei Sarbacane erschien. In seinen Büchern widmet sich der Illustrator überwiegend den verschiedenen Kulturen dieser Welt und fernen Ländern. Für seinen ersten Comic Auf den Spuren Rogers hat er sich einem (auto-)biographischen Thema angenommen und begibt sich darin auf die Spuren seines Großvaters.
Florent Silloray lebt heute in La Rochelle, wo er als Illustrator arbeitet.

Kommentar:

Dieser Graphic Novel wirkt sehr authentisch und basiert auf eindrucksvollen Recherchen über einen französischen Soldaten, der von seinem Enkel (Florent Silloray) nach Besuch von Originalschauplätzen in Frankreich, Mühlberg, Domsdorf, Leipzig und Torgau bebildert wurde. Dabei sind auch Angaben von Zeitzeugen in den Band eingeflossen. Ebenso interessant wie die Kriegserlebnisse ist das Leben Rogers nach 1945, über das in einer Art Zeitraffer bis zu seinem Tod berichtet wird. Florent Silloray ist ein guter Graphic Novel gelungen. Gebäude, die Natur, die Uniformen der Soldaten... man merkt den Zeichnungen die Genauigkeit an, mit der Silloray arbeitet. Zeichnerisch wird im Stil zwischen Gegenwart und Vergangenheit deutlich getrennt. Genauso könnte es gewesen sein. Neben den Zeichnungen mit den Orginaltexten gibt es ein Vorwort von Wolfgang Oleschinski, dem Leiter der sächsischen Gedenkstätte für die Kriegsgefangenen, von denen Roger einer war, und Originalbilder von Roger und seinen Mitgefangenen. Für mich ist dieses Buch absolut lesenswert.